Kraftvoll zubeißen: Kinder können sich wehren

Sicher-Stark-Kurs lehrt Goetheschüler, Gefahrensituationen zu erkennen und sich gegen aufdringliche Erwachsene zu behaupten

Viernheim. Skeptisch schaut Tim den Mann an, der ihn aufgefordert hat, zu ihm ins Auto zu steigen. Klar haben ihm seine Eltern oft gesagt, dass er das nicht darf, andererseits: Wenn er dafür ein Autogramm von seinem Lieblingsfußballer bekommt? In einem "Sicher-Stark- Training" haben Goetheschüler am Wochenende gelernt, wie man sich in solchen Situationen verhält.

"Sollen wir uns morgen nochmal treffen, dann kann ich Dir das Autogramm mitbringen?", fragt der mit Hut und Sonnen- brille verkleidete Trainer vom bundesweit tätigen Sicher-Stark-Team weiter. Tim zögert. "Nein!", flüstert ihm seine Mitschülerin Laura zu und schaut ihn eindringlich an. "Nein", wiederholt der Junge schließlich auch entschlossen dem Mann gegenüber - die Übung ist gemeistert.

"Ihr seid nicht ins Auto gestiegen und ihr habt mir nichts Persönliches erzählt - das war sehr gut!", lobt Trainer Ralf Schmitz, nachdem er wieder aus dem Auto gestiegen ist. Dann wendet er sich an die übrigen Erst- und Zweitklässler, die bei dem Rollenspiel zugesehen haben. "Niemand, der wirklich nur eine Wegbeschreibung haben will, stellt so viele Fragen", warnt er die Kinder. Wie reagiere ich am besten, wenn ich angesprochen werde? Wo stelle ich mich hin, wenn ein Auto neben mir hält? Wie kann ich mich verteidigen, wenn mich jemand an der Hand packt? - Das sind Fragen, auf die Schmitz und seine Kollegin Julia Schlegel den rund 120 Kindern, die sich auf die drei Kurstage verteilen, Antworten geben wollen.

"Schaltet Euren Siebten Sinn an: Warum sollte ein Erwachsener ein Kind bei etwas um Hilfe bitten, das er selber nicht schafft?", fragt Schlegel die Schüler. Zuvor hat sich die Diplom-Pädagogin als alte gebrechliche Dame verkleidet und drei Kinder aus der Gruppe gebeten, ihr bei der Suche nach ihrer Katze zu helfen. "Ich kaufe Dir später Bonbons" oder "Meine Katze stirbt vielleicht, wenn Du mir nicht hilft" - die Übung zeigt: Die Bandbreite an Verlockungen und Drohungen, mit denen Kindesentführer an ihre Opfer kommen, ist enorm und teilweise sehr subtil.

Auch konkrete Verteidigungstechniken stehen bei dem Kurs auf dem Programm: Wenn "Nein"-Sagen und Weglaufen nichts mehr nützt, weil der Angreifer die Kleinen schon am Arm gepackt hat, hilft kräftiges Zubeißen. "So kann sich selbst eine Sechsjährige gegen einen Erwachsenen wehren", sagt Schmitz.

"Einige Eltern hatten im Vorfeld Sorge, dass den Kindern die Gefahren zu schonungslos und hart dargestellt werden. Aber die beiden gehen sehr sanft vor", erzählt Ulrike Haas, die den Kurs als Mutter von Kindern an der Goetheschule mit initiiert hat. "Die Trainer sensibilisieren die Kinder, ohne ihnen Angst zu machen", findet auch ihre Freundin Sabine Schörghofer. Ein wichtiger Punkt, denn: Gerade ängstliche Kinder können sich oft nicht richtig wehren, wenn sie angesprochen werden.