"Wir machen unsere Kinder stark!"

Toll: Schul-Training für mehr Sicherheit


 

"Wir machen unsere Kinder stark!"


Kim (10) ist gerade auf dem Heimweg von der Schule, als sie plötzlich von einem Fremden angesprochen wird: "Ich habe zu Hause süße Kätzchen. Komm doch mit, du darfst auch mit ihnen spielen." Er kommt der Schülerin bedrohlich nahe. Doch das junge Mädchen weiß sich zu helfen: "Feuer, Feuer",


Selbstbewusste Kids werden seltener Opfer von Gewalttätern


schreit es laut. Immer wieder. Und dann noch ganz schrill: "Neiiiinnn!"
Eine brenzlige Situation  -- zum Glück ist sie nicht echt. Der Ernstfall wurde mit Kim nur geprobt. Mit großem Erfolg: "Das hast du ganz toll gemacht", lobt Gudrun Rinker (41) dann auch. Die Sozialpädagogin hat die Szene in Wülfrath (bei Düsseldorf) inszeniert und beobachtet. "Das Mädchen erkannte die Gefahr und reagierte richtig."

Dieser "Realitäts-Check" ist der Abschluss eines Schutzprogramms für Kinder, das vom "Sicher-Stark-Team" bundesweit trainiert wird.

"Wir bringen Schülern bei, wie sie sich am besten gegen Gewalt und sexuelle Angriffe wehren können". sagt Ralf Schmitz (35). Der Ex-Polizist aus Euskirchen hat die Initiative gegründet.

Das Lernziel: Gefahren rechtzeitig erkennen, sich gegen Übergriffe behaupten. Verteidigung mit einfacher Technik. "Die Kinder sollen lernen, wann sie Nein sagen müssen", erklärt Ralf Schmitz sein Konzept. "Viele sind gegenüber Erwachsenen zu vertrauensselig."
Der Selbstverteidigungsexperte hat Verbrechen an Kindern untersucht und dabei festgestellt: "Selbstbewusst auftretende Kinder werden seltener Opfer von Gewalttätern." Teamkollegin Gudrun Rinker, die Opfer von Sexualdelikten vor Gericht betreute, hat ähnliche

"Hau ab:"-gefährliche Situationen werden immer wieder geübt


Erfahrungen gemacht: "Aufgeklärte und starke Kinder sind gegen die Bedrohung besser gewappnet."
Deshalb gehört zu den "Sicher-Stark"-Kursen auch eine geschlechtsspezifische Aufklärung mit Puppen. Dabei lernen die Kinder, wie man sich einem Exhibltionis-

30 Mädchen lernen, wie man richtig tritt, kratzt und beißt


ten gegenüber verhält oder auf Anlocksprüche reagiert.

"Was ruft ihr, wenn ihr Hilfe braucht?", fragt Gudrun Rinker. "Feuer", schreien 30 Mädchen zwischen neun und zwölf Jahren aus vollem Hals. "Ungewöhnlich", gibt die Expertin zu. "Aber leider der einzige Schrei, der Erwachsene reagieren lässt."

Zeigt Schreien allein keine Wirkung, gibt es immer noch Kratzen, Beißen und Treten. Die Trainer ermutigen die Kinder, keine Hemmungen zu haben, zeigen ihnen genau, wo ein Treffer weh tut.

21 Unterrichtsstunden um fasst das Programm, das an Schulen angeboten wird. Dazu gehört auch das Ernstfall-Training, bei dem sich Kim bewährt hat. Dabei versuchen Mitarbeiter des "Sicher-Stark-Teams", die Kinder in ein Auto zu locken: "Wir filmen dabei heimlich ihre Reaktion, sprechen sie später gemeinsam durch", erklärt Ralf Schmitz. Beim "Realitäts-Check" sei das Erfolgserlebnis für die Kinder wichtig: "Es darf nie so weit kommen, dass sie tatsächlich ins Auto steigen oder sich anfassen lassen."

Das klappt nicht nur in Tests. Vor wenigen Wochen hat sich eine der trainierten Schülerinnen erfolgreich gegen einen echten Übergriff auf dem Schulweg gewehrt.

Die Eltern sind vom Training begeistert. Mutter Erika Schmidt (38) bestätigt: "Seit dem Sicherheitskurs ist meine Tochter viel selbstbewusster geworden. Ich habe keine Angst mehr um sie."